Brot, Bier und die Welt verbessern: Resteverwertung als Firmenidee

11.05.2017 - Schweiz

Es gibt viele Gründe zum Biertrinken: Durst löschen, mit Freunden anstoßen, gesellig werden. In der Schweiz kommt noch einer hinzu: die Welt verbessern. Ein Trend, der auch hierzulande in Schwung kommt.

Das Bier ist bernsteinfarben und würzig, für die besondere Geschmacksnote sorgt unter anderem die Verzuckerung an den Brotkrusten. Brotkrusten? Tatsächlich, Dominic Meyerhans lässt in der Schweiz Bier aus Brot brauen. «Unser Leitfaden ist: wertschätzender Genuss», sagt der 40-Jährige aus Weinfelden 20 Kilometer südlich von Konstanz am Bodensee. Und das bezieht sich nicht nur auf den Geschmack. Meyerhans will einen Beitrag zur Reduzierung von Lebensmittelresten leisten. Das Brot kommt aus den Restbeständen von Bäckereien. Gegen die Verschwendung noch brauchbarer Lebensmittel ziehen auch in Deutschland immer mehr Unternehmer zu Felde.

Es sind gigantische Berge von noch tauglichem Essen, die in Europa im Müll landen: angeschlagenes Obst, Artikel mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum, oder Salat, der im Kühlschrank welk wurde, bevor er auf den Tisch kam. Europaweit werden laut der Umweltstiftung WWF mindestens 123 Kilogramm genusstaugliche Lebensmittel pro Person und Jahr weggeworfen. In Deutschland wären das zehn Millionen Tonnen, oder gut 300 Kilogramm pro Sekunde.

Und es geht nicht nur um Verschwendung: «Zusätzlich befeuert der riesige Essensberg den Klimawandel», sagt WWF-Experte Christoph Heinrich. 48 Millionen Tonnen Treibhausgase würden jährlich gespart, wenn in Deutschland alle Nahrungsmittelverluste vermieden würden. Das Ziel der Vereinten Nationen: Lebensmittelabfälle weltweit bis 2030 zu halbieren.

Zwei Millionen Tonnen weggeworfene Lebensmittel sind nach WWF-Angaben aus Getreide, vor allem Brot- und Backwaren. Da setzt Meyerhans an, Mühlenunternehmer in sechster Generation. «Wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft. Anderswo wird gehungert, damit muss man sich befassen», sagt er.

Mit drei Mitstreitern gründete er die Firma «Damn Good Food & Beverages» - übersetzt etwa: Verdammt gutes Essen und Trinken. Sie sammelt unverkauftes Brot aus Bäckereien. Das wird getrocknet und gemahlen und mit Wasser, Hefe Hopfen und Gerstenmalz zu Bier gebraut. Das Brot ersetzt etwa 30 Prozent des Braumalzes. Mit acht Tonnen Brot gibt es 1000 Hektoliter. Eine 0,33-Liter-Flasche kostet 2,30 Franken (gut 2 Euro). Zum Vergleich: eine Flasche Lager kostet etwa 1,40 Franken.

An der Hochschule Niederrhein in Krefeld experimentieren Studenten auch mit Brot als Gärungsgrundlage. «Derzeit geht es darum, den Brauprozess im Hinblick auf den Erhalt einer verlässlichen, gleichbleibenden Produktqualität zu optimieren und den Einfluss unterschiedlicher Restbrotarten auf die Bierqualität zu klären», sagt Georg Wittich, Professor für Lebensmittelwissenschaft. «Bier» darf das Gebräu aber nur in Anführungsstrichen heißen - wegen des deutschen Reinheitsgebots.

Janine Trappe will dagegen mit «gerettetem Brot», wie sie sagt, ins Geschäft kommen. Mit zwei Freunden hat sie in Konstanz die Firma Knödelkult gegründet. Aus altem Brot machen sie drei Knödel im Glas: den Klassiker mit Speck, Zwiebeln und Käse und den «Fleischlos glücklich» mit Karotten, Walnüssen und Curry. Der Knödel kann in Scheiben geschnitten angebraten werden, 350 Gramm kosten 4,90 Euro. «Wir haben schon eine große Nachfrage», sagt sie. Demnächst startet der Onlineshop.

Der Verein «Restlos glücklich» zeigt zudem, wie aus überreifem Brot Chutney oder aus altem Brot Muffins werden können. In Resteläden wie «The Good Food» in Köln werden krumme Möhren und kleine Kartoffeln verkauft, die anderswo aus dem Sortiment fliegen.

Gegen die Verschwendung von Lebensmitteln soll auch die Anwendung «Too Good To Go» helfen. Per Smartphone-Click können Nutzer in ihrer Umgebung Restaurants und Geschäfte finden, die vor Ladenschluss noch übriges Essen preisgünstig abgeben. In Deutschland startete die App in diesem Jahr. «Wir haben schon 40 000 Mahlzeiten gerettet», sagt Sprecherin Teresa Sophie Rath. Das Essen kostet ein paar Euro, 500 Betriebe machen nach ihren Angaben schon mit. Aus der Idee soll irgendwann ein profitables Geschäft werden. (dpa)

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