Bericht von den 30. Detmolder Studientagen der Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung e.V. (AGF) in Detmold vom 15. – 17. Februar 2016

25.02.2016 - Deutschland

Zu den 30. Detmolder Studientagen der Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung konnten Heiner Lucks (Vorsitzender des Ausbildungsausschusses) und Tobias Schuhmacher (Geschäftsführer der AGF e.V., Detmold) über 80 Teilnehmer begrüßen. Zu der dreitägigen Fortbildung waren Ausbilder, Lehrerinnen und Lehrer des Bäcker- und Konditorhandwerks aus dem gesamten Bundesgebiet und der Schweiz angereist.

Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung (AGF) e.V.

Detmolder Studientage 2016

Die Eröffnung der Vortragsreihe übernahm Rechtsanwalt Alexander Meyer-Kretschmer, Geschäftsführer des Verbandes der Großbäckereien. Er informierte über die aktuellen Entwicklungen im Lebensmittelrecht, u. a. über die Kennzeichnung loser Ware, Allergene und Zusatzstoffe. Die gegenwärtige Handhabung ergibt sich aufgrund rechtlicher Lücken. Ferner hinterfragt er die Gruppenkennzeichnung bei Allergenen und beleuchtet die Kennzeichnung bei Überdeckung von Verpackungsoberflächen.

Dr. Hasan Taschan (ehem. Mitarbeiter am chemischen Untersuchungsamt Gießen und Kassel) informierte in seinem Vortrag über „Vegane Lebensmittel“, die historische Entwicklung des Vegetarismus, die unterschiedlichen Ernährungsformen sowie die Motive der „Veganer“ bzw. „Vegetarier“. Zum stetig wachsenden Markt für „vegane“ Produkte präsentierte er einen regelrechten Siegel-Wirrwarr, das zu großer Unübersichtlichkeit für den Verbraucher führen kann.

Über erste Erfahrungen der neuen Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) im Bereich handwerklich strukturierter Betriebe berichtete Annette Neuhaus (Lebensmittelüberwachung im Kreis Lippe). Von 40 überwachten Betriebsstätten hatte rund ein Viertel noch keine Allergenkennzeichnung. Von den anderen besuchten Betrieben wählten etwa ¾ die „Kladdenlösung“, weitere Betriebe nehmen die Kennzeichnung über einen Aushang bzw. unmittelbar am Produkt vor. Für Verstöße gegen die Vorgaben zur Allergenkennzeichnung fehlen zurzeit noch Sanktionsvorschriften. Ab Dezember 2016 wird die Nährwertkennzeichnung Pflicht, allerdings nur für vorverpackte Lebensmittel und soweit keine Ausnahmeregelung nach Anhang V LIMV besteht. Die wichtigste Ausnahme betrifft Lebensmittel, die in kleinen Mengen vom (handwerklichen) Hersteller direkt an den Endverbraucher oder an lokale Einzelhandelsgeschäfte abgegeben werden.

Daniel Schneider (Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks) plädierte in seinem Vortrag für gegenseitige Rücksichtnahme und Offenheit, wenn der handwerkliche Bäcker und der amtliche Lebensmittelkontrolleur aufeinander treffen. Beide Seiten sollten kooperativ die gemeinsamen Ziele verfolgen, nämlich die Herstellung qualitativ hochwertiger und hygienisch einwandfreier Backwaren und die Prüfung ebendieser Parameter.

Über den aktuellen Stand der Forschung zur Mutterkorn-Minimierung berichtete Michael Meißner (AGF e.V. Detmold). Er begründet die Notwendigkeit, dass die Beteiligten an der Getreide-Wertschöpfungskette frühzeitig gezielte Initiativen ergreifen. Der Getreideanbau kann mit bestimmten Fruchtfolgen, Feldbearbeitung und bei der Auswahl der Saatgutsorten direkt Einfluss auf die Mutterkornminimierung nehmen. Für die Getreidereinigung und -verarbeitung zeigte er ebenfalls Möglichkeiten auf, die Belastung durch Mutterkorn-Alkaloide (Ergot-Alkaloide) zu reduzieren.

Martina Mollenhauer (Mühlenchemie GmbH & Co KG / SternEnzym) referierte über den Einsatz von Enzymen bei der Lebensmittelherstellung. Von bis zu 30.000 in der Natur vorkommenden Enzymen werden ungefähr 100 im großtechnischen Maßstab genutzt. Im Vergleich zwischen Emulgatoren und Enzymen gewinnen die Enzyme, da sie weniger Produktionsenergie benötigen und wegen ihrer besseren Wirkung auch weniger Transport- und Lagerkosten verursachen. Die verlängerte Frischhaltung und gezielte Textureinstellungen wurden hervorgehoben. Es gibt jedoch eine Vielzahl weiterer Anwendungsparameter für den Enzymeinsatz in der Lebensmittelproduktion.

Wie sich die Qualität glutenfreier Rohstoffe ermitteln lässt, um daraus hochwertige Lebensmitteln für die von Zöliakie betroffenen Menschen herzustellen, zeigte Markus Düsterberg (Ernst Böcker GmbH & Co. KG, Minden). Durch gezielte Untersuchungen der Hauptkomponenten Leinsamenmehl und Stärke eines glutenfreien Leinsamenbrotes können aussagekräftige Qualitätsparameter über deren Verarbeitungs- und Backeigenschaften ermittelt werden.

Die Unverträglichkeit bei Weizen betrachtete Dr. Katharina Scherf (Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie, Freising). Über aktuelle Trends und Entwicklungen führte ihr Referat zu der Definition von Weizenunverträglichkeiten, deren Ursachen und schließlich zu Therapiemöglichkeiten. Da eine glutenfreie Diät nicht unproblematisch ist, empfiehlt sie unbedingt eine ärztlich gesicherte Diagnose, denn für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist der Weizenverzehr unbedenklich.

Siegfried Brenneis (Bäckerei-Produktionsleiter, Odenwald) informierte über die Geschichte des Dinkels bis in die Gegenwart. Die Vorteile in der täglichen Ernährung sind unbestritten, jedoch ist die Produktion ansprechender Backwaren mit Dinkel sehr anspruchsvoll. Hier gab der erfahrene Bäckermeister, der auch Teamkapitän der Bäcker-Nationalmannschaft ist, vielseitige Hinweise, um den vermeintlich schlechten Verarbeitungseigenschaften entgegen zu wirken.

Prof. Jürgen-Michael Brümmer (ehem. MA der Bundesanstalt für Getreideforschung, Detmold) zeigte die stoffliche Andersartigkeit des Vollkorns gegenüber den üblichen Typenmehlen auf. Beim Blick auf die Verarbeitungseigenschaften zeigte er, dass die richtige Sortenwahl, ganz besonders aber der Zerkleinerungsgrad, die bäckereitechnische Verarbeitung beeinflusst.

Einen geschichtlichen Rückblick bot der Vortrag von Dirk Steinmeier (CSM Solutions, Bingen), der den Backwarenmarkt hinsichtlich der Verwendung von Emmer, Einkorn und Waldstaudenroggen beleuchtet. Im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatte sind diese Pflanzen besonders wertvoll, weil sie ohne bzw. mit sehr geringer Düngung auskommen. Allerdings stellen die Verarbeitungseigenschaften erhöhte Anforderungen an die Bäckereien. Der Markt für Produkte aus diesen Pflanzen steht am Anfang eines steigenden Trends. Abschließend wurden bereits am Markt etablierte Bäckerei-Produkte vorgestellt.

Dr. Gisela Zabel (SOL-Trainerin in der Lehrerfortbildung an Beruflichen Schulen / Dipl.-Ing. Lebensmitteltechnologie, Tübingen) berichtete von ihren Erfahrungen zur individuellen Förderung lernschwacher Schüler. Angelehnt an die drei Handlungsfelder zur individuellen Förderung, die Beziehungsgestaltung, die Lernzielgestaltung und die pädagogische Diagnose und Förderplanung, stellte sie einige Möglichkeiten für die Umsetzung im Unterricht von Nahrungsklassen vor.
Einen breiten Raum nahm der Vortrag von Thomas B. Schulte (freiberuflicher Berater und Trainer für Bildungseinrichtungen, Münster) ein. Er stellte zielgruppen- und themenbezogenen Didaktik und effiziente Lernmethoden vor. An zahlreichen Praxisbeispielen zeigte er erfolgreiche Unterrichtsmethoden und gab dabei Tipps für motiviertes und aktives Lernen. Er betonte die Wichtigkeit von

  • Ziele und Begeisterung als treibende Kräfte,
  • Sicherheit gebender Orientierung und Transparenz,
  • spannender und abwechslungsreicher Unterrichtsgestaltung und
  • entspannender, aktiver Unterbrechungen und Konzentrationsübungen.

Heiner Lucks (Hannover) war im Rahmen des SES (Senior Experten Service - Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit) für drei Monate in Vietnam, um dort eine Berufsausbildung für Bäcker zu etablieren. Er berichtete anhand vieler Bilder von diesem Projekt und warb anschließend dafür, dass sich aus dem Dienst ausscheidende Kolleginnen und Kollegen in der Entwicklungshilfe engagieren.

Den Lippischen Pickert präsentierte Karl-Heinz Grothe (ehem. Mitarbeiter der Bundesanstalt für Getreideforschung, Detmold). Dem geschichtlichen Hintergrund dieser regionalen Spezialität folgten Rezeptur- und Herstellungsanweisungen. Im anschließenden Praktikumsteil konnten die Teilnehmer den klassischen Pickert und eine glutenfreie Variante herzhaft oder süß verkosten.

Über die Grundlagen der Snackherstellung informierten Jürgen Rieber (Fa. Wiesheu, Affalterbach). Mit vielen Bildern belegte er, dass der Snackbereich noch viel Potential für den Bäcker bietet, sich vom Selbstbedienungsgeschäft und vom Systemgastronomen abzusetzen. Sein Credo: „Wer nur Backwaren anbietet, bekommt auch nur Backwaren bezahlt!“ An praktischen Beispielen zeigten sein Kolleg Dominik Scharf und er, mit wie wenig Zusatzarbeit sich pikante Brotkuchen oder Ciabatta-Snacks in vielen Varianten herstellen lassen.

Zum Abschluss danke Heiner Lucks allen Vortragenden und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der AGF für die gute Organisation der 30. Detmoder Studientage. Die Teilnehmer entließ er mit dem Appell, weiterhin für rege Teilnahme an den Studientagen zu sorgen, damit diese - deutschlandweit - einzige Fortbildung für Lehrer und Ausbilder des Bäcker- und Konditorhandwerks nicht mangels Beteiligung infrage gestellt wird.

Die nächsten Detmolder Studientage finden statt vom 20. bis 22. Februar 2017.

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