Gefährliche Grabenkämpfe um TTIP

24.02.2015 - Deutschland

Manchmal kommt Cecilia Malmström bei ihrem Kampf für den Freihandel auf den Hund. "Wenn Sie bei Google ISDS eingeben, landen Sie auf der Seite der Internationalen Gesellschaft für Hüte-Hunde. Da lächelt Sie ein kleiner, süßer Hund an", erzählt die schwedische EU-Handelskommissarin, die auf Lobbytour für das umstrittene Handelsabkommen TTIP mit den USA Station in Berlin macht.

In Deutschlands Hauptstadt tanzt Malmström am Montag gleich auf zwei Hochzeiten. Erst bei der Wirtschaft, die TTIP toll findet. Dann bei der SPD, wo die Parteilinke ziemlich große Bauchschmerzen hat.

Die vier Buchstaben ISDS, auf die Malmström anspielt, haben es in sich. Das englische Kürzel für "Investor-State-Dispute-Settlement"

(Investor-Staat-Streitbeilegung) beschreibt die Klagemöglichkeit von Konzernen gegen Staaten auf Schadenersatz - und hat das allgegenwärtige mit Chlor desinfizierte Hühnchen als größten Knackpunkt in den Verhandlungen abgelöst. Dass die Hühner nicht Einzug in die EU halten sollen, ist inzwischen klargestellt worden.

An ISDS aber könnte in Deutschland am Ende eine Zustimmung zu TTIP sogar scheitern.

Der Vorwurf, Großkonzerne könnten sich unter dem Deckmantel des Abkommens dank der Urteile anonymer, intransparenter Schiedsgerichte über nationale Gesetze hinwegsetzen, "belastet die TTIP-Verhandlungen mehr als alle Chlorhühnchen der Welt", räumt auch SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ein. Und sein Bauchgefühl wird von Meinungsforschern geteilt.

Gerade hat eine Umfrage der Verbraucherschützer von Foodwatch gezeigt, dass die Zustimmung der Bürger zum geplanten Mega-Abkommen TTIP arg geschrumpft ist. Malmström bemüht sich in Berlin, die Sorgen zu zerstreuen. Niemals werde Brüssel zulassen, dass die Hoheit der Parlamente und hohe EU-Standards bei Lebensmitteln, Umwelt und Gesundheit ausgehebelt würden.

Die Idee von Gabriel, Konzerne sollten vor einen unabhängigen Handelsgerichtshof ziehen, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen, findet Malmström gut. Sie macht aber auch klar, dass das nicht von heute auf morgen klappen wird. Brüssel muss die Interessen von 28 EU-Ländern unter einen Hut bringen - und die meisten Staaten finden TTIP und Schutzklauseln für Konzerne gut. Am größten ist der Widerstand in Deutschland, Österreich und Luxemburg.

Um endlich in die Offensive zu kommen, hatte Gabriel am Wochenende bei einem Treffen sozialdemokratischer Handelsminister in Madrid ein Kompromisspapier zum Investorenschutz vorgelegt. In Berlin erklärt er nun, wie er sich das vorstellt. Europa und die USA müssten die Chance ergreifen, einen "Gold-Standard" einzuführen, der die Spielregeln für den Welthandel setze. Klappe das nicht, werde Asien dauerhaft den Ton angeben - mit negativen Folgen auch für Umwelt, Klima und Verbraucherschutz. Im November war Gabriel in Vietnam unterwegs. Dort hatte ihn schwer beeindruckt, wie groß der Ehrgeiz aufstrebender Entwicklungs- und Schwellenländer ist.

Aber reichen ein paar rote Linien, um die Kritiker in der SPD zu überzeugen? "Wie sich die Meinung in der SPD entwickelt, weiß man nie", scherzt Gabriel. Der Vizekanzler wird noch viel Arbeit vor sich haben, die Gegner von der weltpolitischen Dimension von TTIP zu überzeugen. Schützenhilfe bekommt er von John B. Emerson.

Der US-Botschafter in Deutschland, der in seinem Büro am Brandenburger Tor ein Bild mit vielen Hühnern, die im Chlor-Pool baden, an der Wand hängen hat, erinnert die Deutschen sanft, aber entschlossen daran, was seiner Ansicht nach auf dem Spiel steht. Die westlichen Werte und der Rechtsstaat seien an vielen Fronten in Gefahr, warnt John B. Emerson, ohne Russlands Präsident Wladimir Putin und den Ukraine-Konflikt beim Namen zu nennen.

Die Deutschen sollten sich nicht von Karikaturen und Stereotypen wie dem Chlorhühnchen beeinflussen lassen, sondern sich freuen, dass US-Firmen im vergangenen Jahr acht mehr Prozent mehr Waren Made in Germany gekauft hätten. Zahlen alleine aber dürften nicht ausreichen, die TTIP-Gräben zuzuschütten, weiß auch Emerson: "Wir haben noch einen langen Weg vor uns."/tb/ir/DP/zb (dpa)

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