Test Kinderlebensmittel: Qualität oft noch in Kinderschuhen

Kinderlebensmittel sind am richtigen Weg bei Fett, Zucker, Salz, Vitaminen und Farbstoffen – Kritik jedoch am hohen Verarbeitungsgrad

06.02.2023 - Österreich

Kinderschnitten, Miniwürstel & Co. – speziell für Kinder vermarktete Produkte sind gekommen, um zu bleiben. Ein AK Test bei 39 Kinderlebensmitteln zeigt: Sie wurden besser, aber top geht anders. Fast alle sind hochverarbeitete Lebensmittel, also viele Verarbeitungsschritte und Zusätze. Minuspunkte gibt’s für eine teils schlechte Produktqualität, etwa für Palmöl oder versteckten Zucker. Sinnloses Anreichern mit Vitaminen, künstlich Färben und bedenkliche Farbstoffe sind weg. Die Ernährungsqualität, gemessen mit dem Nutri-Score, ist bei einem Drittel gut, bei mehr als der Hälfte aber immer noch schlecht „Kinderlebensmittel sind besser geworden, auch wegen gesetzlicher Regeln, aber es gibt noch einiges zu tun“, resümiert AK Ernährungsexpertin Petra Lehner.

Bild von Matthias Böckel auf Pixabay

Die AK wollte wissen, ob trotz Kritik von Konsumentenschutz- und Gesundheitsorganisationen immer noch fast nur Kinderlebensmittel mit eher schlechten Nährwerten (viel Fett, Zucker, Salz) und teils ungünstigen Qualitäten (Zutaten, Zusatzstoffe, Anreicherungen, Verarbeitungsgrad) am Markt sind. „Kurz gesagt: Jein. Wir sind am richtigen Weg, aber noch lange nicht am Ziel. Es gibt noch Regelungsbedarf“, so Lehner.

Gut und schlecht halten sich die Waage – viel rot und viel hellgrün bei Nutri-Score

Der Nutri-Sorce, also die Farb-Buchstaben-Kombination, die auf einen Blick den Ernährungswert erkennbar macht, war nur auf fünf (13 Prozent) von 39 Produkten drauf. Um zu sehen, was die Hersteller verschweigen, wurde der Nutriscore für die anderen berechnet. Dabei zeigt sich: viele gute, also B (hellgrüne) Nutri-Scores (36 Prozent), aber noch mehr schlechte, also (rote) E (39 Prozent) und D Scores (orange; 13 Prozent). Das schlechtere Ende ist also dicker.

„Das viele Rot ist der Kategorie Snacks geschuldet“, sagt Lehner. „Auch wenn auf den Verpackungen der Riegel und Schnitten Milch und Honig fließt sind alle rot. Bei Süßigkeiten ist eben nichts anderes zu erwarten.“ Milch zum Abbeißen: Fehlanzeige. Sie können mit den echten Milchprodukten zum Löffeln oder Trinken nicht mithalten. Bei den Produkten zum Löffeln überwiegt hellgrün, es gibt aber auch welche mit C und D.

Wahlloses Anreichern und Wischi-Waschi Aussagen sind nicht mehr

Das wahllose und sinnlose Anreichern von Kinderlebensmitteln mit Vitaminen, die Kindern gar nicht fehlen, kommt nicht mehr vor. Nur drei der Milchprodukte zum Löffeln sind mit Vitamin D angereichert, ein als kritisch bekanntes Vitamin, eines davon zusätzlich noch mit Kalzium. Ob es Sinn mache, ein Milchprodukt mit Kalzium anzureichern, sei dahingestellt, so Lehner: „Insgesamt ist das Ergebnis erfreulich. Aber ganz freiwillig kam das vermutlich nicht. Die Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitaminen und Mineralstoffen und die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben wurden nämlich durch EU-Verordnungen geregelt – Regulierung wirkt eindeutig besser als jeder Appell.“

Hochverarbeitete Lebensmittel für Kinder ungeeignet

Bis auf zwei Käse sind alle Kinderlebensmittel hochverarbeitete Produkte, deren Konsum laut Weltgesundheitsorganisation sich negativ auf die gesunde Lebenserwartung auswirkt. Die Weltgesundheitsorganisation rät, hochverarbeitete Produkte zu meiden. Gemessen wird der Verarbeitungsgrad mit dem Nova-Score. Ein Nova-Score 1 heißt minimal verarbeitet, Nova-Score 4 hochverarbeitet. Es werden nicht einzelne Zusätze betrachtet, sondern der gesamte Mix an Prozessen, die ein Produkt oder seine Zutaten durchlaufen und was zugesetzt oder entzogen wurde. 95 Prozent der Testprodukte bekommen einen Nova-Score 4. Oft haben Produkte mit einem Nova-Score 4 auch einen schlechten Nutri-Score, zeigt auch der AK Test.

Nur einer von mehreren Punkten im Nova-Score sind die Zusatzstoffe. Bei drei Produkten kommen keine vor, zwei enthalten mehr als zehn. Aber nicht die Anzahl ist relevant, sondern welche vorkommen. Die AK fand hier doch einige, die nur eingeschränkt in Kinderlebensmittel passen. Überraschend: In allen süßen Snacks ist Palmfett drinnen und in zwei Drittel der pikanten Snacks Zucker, der aber nicht als solcher in der Zutatenliste steht, sondern als Honig, Gerstenmalz, Maltodextrin oder Dextrose daherkommt. Bei den Milchdrinks, Milchprodukten zum Löffeln und süßen Snacks wiederum erwartet man kein Salz, es ist aber in einem Drink, zwei Milchprodukten und sogar in zwei Drittel der süßen Snacks drinnen.

Aromen sind in, künstlich Färben out, bedenkliche Azofarbstoffe ganz weg

Produkte mit Aromen, Zusatzstoffen oder ungünstigen Inhaltsstoffen sind – weil Nova-Score 4 und oft auch schlechter Nutri-Score – für Kinder ungünstig. Aber wenigstens sind die bedenklichen Azofarbstoffe aus dem Kinderprodukte-Sortiment verschwunden. Vielleicht hat hier auch die Warnpflicht gewirkt. Denn seit 2010 muss der Hinweis „Kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen“ auf der Verpackung drauf sein, wenn Azofarbstoffe verwendet werden. Gut ist auch, dass weniger gefärbt wird und wenn, dann mit Farbstoffen, die auch in der Natur vorkommen (etwa Carotin) oder mit färbenden Obst- und Gemüsekonzentraten. Diese positive Entwicklung gibt es bei den Aromen nicht. Die überwiegende Mehrheit der Kinderprodukte ist aromatisiert (80 Prozent). „Das Aufpäppeln von Kinderlebensmitteln mit Aromen, egal ob künstlich oder natürlich, sehen wir kritisch, weil in der Kindheit der Geschmack geprägt wird“, sagt Lehner.

Werbegag Milch

Alle süßen Snacks heißen irgendwas mit Milch oder haben Milch abgebildet, sind aber Süßigkeiten. Die Milch muss man mit der Lupe suchen. Alle enthalten Palmfett und mehr als zwei Drittel auch Salz. Alle bekommen einen roten Nutri-Score E. Alle sind aromatisiert Diese Produkte sollten keinesfalls auch nur als irgendwie gut für Kinder dargestellt werden (dürfen).

Zum Test: 39 Kinderlebensmittel wurden gecheckt – Milchgetränke, Milchprodukte zum Löffeln und Quetschen, süße Snacks (Riegel, Schnitten) und pikante Kinderprodukte (Wurst, Käse). Die AGES – Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit – hat Nutri- und Nova-Score berechnet.

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