Neue EU-Lebensmittelkennzeichnung greift für VIER PFOTEN zu kurz

Pflicht zur Herkunftsangabe bei der Primärzutat sagt noch nichts über Tierschutzstandards

02.04.2020 - Österreich

Am 1. April tritt eine neue EU-Lebensmittelkennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel in Kraft. Der Kern: Wird für ein Lebensmittel das Ursprungsland angegeben und weicht die Herkunft der primären Zutat hiervon ab, ist künftig für diese primäre Zutat die abweichende Herkunft ebenfalls anzugeben. Für Vier Pfoten ist die so genannte „Durchführungsverordnung“ zwar ein Schritt in die richtige Richtung, um Marketingtricks von Produzenten und Handel Einhalt zu gebieten. Aus Tierschutz- als auch aus Konsumentenschutzsicht ist sie aber noch unzureichend. Die Tierschutzorganisation bleibt bei ihrer Forderung nach einer konsequenten EU-weiten Kennzeichnung von Herkunft und Haltungsform für alle Produkte tierischen Ursprungs.

Für den Tierschutz ist diese Regelung keine Verbesserung. Als Konsument weiß ich dann vielleicht, dass ein Produkt nicht aus Österreich bzw. aus einem konkreten Land stammt. Aber mehr auch schon nicht. Das ist zu wenig“, erklärt VIER PFOTEN Kampagnenleiterin Veronika Weissenböck. „Nur eine Kennzeichnung der Haltungsbedingungen der Tiere gibt wirklich Aufschluss über Tierschutzstandards.“

Für die neue Kennzeichnung reicht es, wenn künftig auf einem Produkt „Stammt nicht aus Österreich“ oder „Stammt nicht aus der EU“ steht. Erlaubt ist außerdem die Herkunftsangabe eines Landes, eines Bundeslandes oder einer Region, aber auch Abbildungen von z.B. Länderflaggen, Piktogrammen etc. „Es ist den Konsumenten allerdings nicht zumutbar, über alle Haltungsbedingungen in anderen Ländern Bescheid zu wissen“, sagt Weissenböck.

Zur Verdeutlichung ein Beispiel: Wird ein Joghurt mit dem Hinweis „Hergestellt in Österreich“ verkauft und die Milch stammt nicht aus Österreich, muss laut der Verordnung auch die Herkunft der Primärzutat – in diesem Fall der Milch – angegeben werden. So soll transparent gemacht werden, dass Produkte zum Beispiel zwar in Österreich verarbeitet wurden, die Grundzutat aber aus einem anderen Land stammt.

Nehmen wir an, die Milch für das Joghurt stammt aus Südtirol. In diesem Fall würde es nach der Vorgabe reichen, wenn für die Milch „Stammt nicht aus Österreich“ oder auch nur „EU“ angegeben würde. Es könnte aber ebenso „Italien“ oder Südtirol“ stehen – wohl auch stark davon abhängig, wie viel der Produzent über sein Produkt preisgeben will.

„Woher sollen die Konsumenten wissen, ob und wie sich die Haltung der Tiere in der „EU“ von „Italien“ unterscheidet? Oder von Österreich? Selbst gut informierte Menschen werden in diesem Fall nur schwer eine bewusste Entscheidung treffen können“, argumentiert Weissenböck.

Die Lösung für mehr Transparenz, mehr Verbraucherinformation und mehr Tierwohl liegt für VIER PFOTEN in einer konsequenten Kennzeichnung von Haltungsstandards und Herkunft mindestens nach Vorbild des Schaleneis – und zwar für alle Bereiche, vom Lebensmitteleinzelhandel bis zur Gastronomie. „Das ist ein bewährtes System, das von den Verbrauchern auch seit Jahren gut angenommen wird“, so Weissenböck. „Zudem sollten in einer verpflichtenden Haltungsform-Kennzeichnung wichtige Indikatoren Berücksichtigung finden, die ein Mindestmaß an Tierwohl sicherstellen. Hier können auch freiwillige Tierwohl-Gütesiegel wie z.B. das VIER PFOTEN Gütesiegel „Tierschutz-kontrolliert“ als Grundlage für die Gestaltung einer Haltungskennzeichnung herangezogen werden.“

Eine 2019 von VIER PFOTEN in Auftrag gegebene Integral-Studie hat ergeben, dass sich 73% der Österreicherinnen und Österreicher eine zusätzliche Kennzeichnung von Lebensmitteln nach Haltungsform der Tiere wünschen, da die Nennung der Herkunft sowohl bei verarbeiteten als auch unverarbeiteten Produkten nicht genügend Aufschluss über Tierwohlstandards gibt.

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