Fünf Jahre Putin-Sanktionen

Deutscher Erzeuger sieht Fortschritte

28.08.2019 - Russische Föderation

Mit einem Embargo auf deutsche und EU-Lebensmittel reagierte Russland damals auf die westlichen Sanktionen im Zuge des Ukraine-Konflikts. Nach fünf Jahren zieht die Wirtschaft nun Bilanz - und sieht Gewinner. Aber es gibt auch einen großen Verlierer.

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Der deutsche Milchproduzent Stefan Dürr kann dem russischen Embargo auf Lebensmittel aus dem Westen einiges abgewinnen. Seine Produktionsanlagen in Russland florieren. «Ich glaube, es hat sich in diesen letzten fünf Jahren wirklich viel getan. Viele haben die Sanktionen genutzt, um die Produktion zu verbessern», sagt Dürr, der seit diesem Jahr Chef des russischen Verbandes der Milchproduzenten Sojusmoloko ist. Der 55 Jahre alte Geschäftsmann aus Walldorf (Baden-Württemberg) ist mit seinem Unternehmen Ekosem-Agrar AG größter Rohmilchproduzent Russlands. Er gilt als einer der Gewinner, seit Kremlchef Wladimir Putin im August vor fünf Jahren Sanktionen gegen den Westen erließ.

Das war nicht nur eine Retourkutsche auf die zuerst vom Westen verhängten Sanktionen gegen Russland im Zuge des Ukraine-Konflikts.

Von Anfang an setzte Putin das Ziel, die damals noch extrem vom Lebensmittelimport abhängige Nation so weit zu stärken, dass sie sich selbst versorgen kann. Zum fünften Jahrestag der Sanktionen sieht die Moskauer Politik fast durchweg Erfolge. Trotzdem haben die EU und die USA auch mit ihren Sanktionen Russland Milliardenschäden zugefügt.

Die Abhängigkeit von Importen ist deutlich geringer geworden. An der Fleischproduktion etwa lag der eigene Anteil 2015 noch bei 87,1 Prozent, 2018 schon bei 92,8 Prozent. Die Agrarproduktion entwickle sich in vielen Bereichen inzwischen so gut, dass Russland sich als Exporteur in Stellung bringe, meinte unlängst Landwirtschaftsminister Dmitri Patruschew. Seit zwei Jahren ist Russland weltgrößter Exporteur von Weizen - deutlich vor den USA.

Auch die deutschen Bauern haben sich mit der Blockade des Agrarhandels mit Russland weitgehend arrangiert. «Den russischen Markt zu verlieren, war ein großer Einschnitt für die deutsche Landwirtschaft», sagte der Vizepräsident des Bauernverbandes, Werner Schwarz. Mit Zeitverzug und großem Aufwand hätten aber besonders in Asien neue Märkte erschlossen werden können. «Heute hat China, einschließlich Hongkong, für uns eine Bedeutung im Agrarexport wie ehemals Russland, mit fast zwei Milliarden Euro jährlich.»

Das im August 2014 verhängte Einfuhrverbot für Lebensmittel betrifft etwa Obst und Gemüse, Milchprodukte und Fleischwaren. Und es gilt für alle Staaten, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben - neben der EU und den USA sind das unter anderen Kanada, Australien und Norwegen. Erst im Sommer hatte Putin die Sanktionen wieder um ein Jahr bis Ende 2020 verlängert.

Die Regale sind nach zeitweiser Knappheit zum Start des Embargos heute prall gefüllt. Im Vergleich zu 2014 legte etwa die Produktion von Tomaten und Gurken bis 2018 um 80 Prozent auf 1,1 Millionen Tonnen zu. Der Anteil der Einfuhren halbierte sich in der Zeit von 60 Prozent fast auf 38 Prozent. Zugelegt haben nicht nur Obst- und Gemüseanbau, sondern auch die Käseerzeugung. Gleichwohl haben etwa Äpfel und Käse oft noch nicht die Qualität wie etwa EU-Erzeugnisse.

Milcherzeuger Dürr sagt: «Man ist ein ganzes Stück vorwärts gekommen. Aber natürlich gibt es auch noch viel zu tun.» Dürr selbst setzt sich für Standards bei der Milchherstellung wie in Deutschland ein.

Mancher vermisst etwa französischen Camembert oder italienischen Parmesan. Vielfach gibt es nachgeahmte Produkte, die im Geschmack deutlich abfallen. Findige Händler bieten vor allem in der Hauptstadt aber bisweilen ganz offen Schmuggelware an - freilich zu deutlich höheren Schwarzmarktpreisen.

Der große Verlierer der «Putin-Sanktionen» sei der Verbraucher in Russland, wie vor allem regierungskritische Medien berichten. Bürger ärgern sich über explodierende Lebensmittelpreise bei stagnierenden oder rückläufigen Einkommen. Fleisch und Milch etwa verteuerten sich nach Angaben des Statistikamtes Rosstat um 30 Prozent in den vergangenen fünf Jahren. Eier, Fleisch und Geflügel liegen bei mehr als zehn Prozent Preiszuwachs im Vergleich zum Vorjahr.

Der Grund für die Preisexplosion liege im fehlenden Wettbewerb, schreiben die Zeitungen «Wedomosti» und «Nesawissimaja Gaseta». Weil es keine Konkurrenz mehr gebe durch Produkte aus der EU, könnten die russischen Platzhirsche auf dem Markt die Preise diktieren.

Milchproduzent Dürr sieht dagegen vor allem einen anderen Grund. «Der Preisanstieg liegt nicht am Embargo, sondern daran, dass der Rubel schwächer geworden ist», sagt er der Deutschen Presse-Agentur in Moskau. Erzeuger erklären zudem, dass im Ausland etwa Maschinen und Futtermittelzusätze eingekauft werden müssten. Die Kosten dafür würden sich dann niederschlagen in höheren Preisen für Lebensmittel.

Die EU hat nach anfänglichen Schwierigkeiten - immerhin verkauften die europäischen Bauern 2013 noch zehn Prozent ihrer Erzeugnisse nach Russland - längst andere Märkte in den USA und in China erschlossen.

Der Umsatz fiel durch den Wegfall des russischen Marktes fast um die Hälfte auf 6,4 Milliarden Euro im Jahr 2018. Viele russische Lebensmittelhersteller hätten sich inzwischen gut arrangiert - und zeigten kein großes Interesse an einem Ende der Sanktionen, heißt es allenthalben in Moskau. Grund dafür sind auch Sorgen vor einer möglichen neuen Konkurrenz von preiswerteren EU-Erzeugnissen. Allerdings hat Putin zuletzt auch klar gesagt, dass er die Gegensanktionen aufhebe, sobald auch die EU ihre Strafmaßnahmen gegen Russland beendet. In Sicht ist das aber nicht.

Die Unterstützung für die Sanktionen ist nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov in Deutschland immer geringer. Nur noch jeder Vierte unterstützt sie demnach uneingeschränkt. Die Bundesregierung betonte dieser Tage aber, dass die Strafmaßnahmen erst bei einer Lösung des Konflikts in der Ukraine enden könnten.

Auch die Kämpfe zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen im Osten der Ukraine dauern inzwischen fünf Jahre.(dpa)

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