Konsumenten stärken Handel den Rücken

Oliver Wyman-Umfrage zur Auslistung von Markenartikeln

25.06.2019 - Deutschland

Immer häufiger führen die aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Supermärkten und Herstellern zur temporären oder endgültigen Auslistung von Markenartikeln. Jedoch stört es einer Umfrage von Oliver Wyman zufolge nur 23 Prozent der Konsumenten, dass Markenprodukte in den Regalen fehlen. Drei Viertel der Konsumenten in Deutschland sehen ihre Interessen in den Verhandlungsstreits vom Handel besser vertreten als von den Herstellern. Das erhöht den Handlungsdruck für die Markenartikelhersteller. Mit vermehrten Innovationen und einem verstärkten Dialog mit den Kunden können sie ihre Position verbessern.

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Preiskampf um Markenprodukte: Deutsche Konsumenten sehen ihre Interessen eher vom Handel vertreten

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Seit jeher verhandeln Handel und Hersteller im Lebensmittel-Geschäft mit harten Bandagen. Doch in jüngster Zeit enden diese Gespräche über Preise und Konditionen immer häufiger mit einem Knall statt einem Kompromiss. In der Folge fehlen mal Nestlé-Produkte in den Regalen von Edeka, mal Unilever-Artikel bei Kaufland. Doch die entstehenden Lücken im Regal bemerken drei von vier Verbrauchern nicht. In einer aktuellen Oliver Wyman-Umfrage unter 1.000 Konsumenten erklärten nur 25 Prozent, dass sie das Fehlen einzelner Produkte bemerkt hätten. 52 Prozent ist es zudem nach eigenem Bekunden egal, wenn der Handel einzelne Markenprodukte aus dem Sortiment streicht; 25 Prozent finden dies eher gut, nur 23 Prozent stört es. Die Position des Handels stärkt ein weiteres Umfrageergebnis. Danach sehen 74 Prozent der Befragten die Kundeninteressen eher vom Handel als von den Herstellern vertreten.

Aggressive Verhandlungsstrategie

Rainer Münch, Deutschland-Leiter der Praxisgruppe Handel und Konsumgüter bei Oliver Wyman, sieht in den Umfrageergebnissen ein Warnzeichen für die Markenartikelhersteller: "Supermärkte genießen bei den Verbrauchern derzeit offenkundig mehr Vertrauen als selbst renommierte Marken." Angesichts dieses Rückhalts ist Münch überzeugt: "Die Konsumgüterhersteller müssen sich darauf einstellen, dass der Handel bei Verhandlungen seine aggressive Strategie fortsetzt, ja forciert." Er verweist hierbei auch auf die wachsende Zahl grenzüberschreitender Einkaufsallianzen, die Einzelhändlern zusätzliche Verhandlungsmacht und Argumente liefern. Münch: "Die aktuellen Auseinandersetzungen sind kein temporäres Phänomen, sondern stehen zumindest kurzfristig für eine strukturelle Veränderung des Verhältnisses von Handel und Herstellern."

Diese strukturelle Veränderung erfordert ein Umdenken in der Branche. Oliver Wyman-Principal und Handelsexperte Jens von Wedel mahnt: "Viele Hersteller - aber auch Händler - haben sich zu lange auf etablierte Marken verlassen und ihre Innovationstätigkeit vernachlässigt." Stattdessen hätten es Start-ups geschafft, aktuelle Trends mit ihren Microbrands zu besetzen. Darüber hinaus positionieren sich die neuen Hersteller vielfach über eine betonte Nachhaltigkeit und Kundennähe im Geschäftsmodell und grenzen sich somit von den etablierten Großproduzenten ab. Von Wedel betont daher: "Die Hersteller müssen innovativer werden und wieder näher an die Kunden rücken. Zugleich müssen die Händler offener werden und sich auf neue Produkte und Partnerschaften einlassen." Der Schaffung von Innovationen könnten Entwicklungspartnerschaften mit dem Handel dienen.

Kooperationen nutzen Handel wie Herstellern

Auch auf anderen Gebieten sind die Möglichkeiten der Kooperation mit dem Handel nicht ausgereizt. Münch erklärt: "In den vergangenen Jahren haben sich viele Hersteller auf den Verkauf an den Handel konzentriert, anstatt mit dem Handel gemeinsam - Hand in Hand - den Verkauf an den Endkunden zu forcieren." Chancen ergeben sich beispielsweise durch integrierte Marketing- und Kommunikationsprogramme, von speziellen Events bis hin zur Kundenansprache in der Filiale. Solche Kooperationen dienen Herstellern wie Handel gleichermaßen, da beide an zusätzlichen Umsätzen und Wertschöpfungsbeiträgen interessiert sind.

Münchs Fazit: "Die Beziehung zwischen Handel und Markenartiklern braucht einen Neustart. Die Hersteller sollten den ersten Schritt machen - in ihrem eigenen Interesse genauso wie im Interesse der Verbraucher." Denn jeder vierte Konsument vermisst dann doch einzelne Lieblingsprodukte im Regal seines Supermarkts.

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