Noch ein neuer Vorschlag für Nährwert-Logo auf Lebensmitteln

15.04.2019 - Deutschland

Im Streit um klarere Kennzeichnungen von Zucker, Fett und Salz in vielen Lebensmitteln schlägt nun auch die Branche ein eigenes Modell vor. Es soll auf der Packungs-Vorderseite den Gehalt an Nährstoffen und die Kalorienzahl veranschaulichen - aber nicht über die umstrittenen Ampelfarben, sondern eine Darstellung mit fünf Kreisen. Von Verbraucherschützern und einigen Herstellern, die schon auf ein anderes Farb-Logo setzen, kam Kritik.

Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hält erst noch Klärungen für nötig, da laut einer Analyse alle bestehenden Systeme Vor- und Nachteile hätten.

Der Spitzenverband BLL teilte mit, sein nun vorgeschlagenes Modell arbeite visuell, erleichtere den Verbrauchern die Wahl und werde vom "überwiegenden Teil" der deutschen Lebensmittelwirtschaft getragen. Es gebe weltweit 80 Kennzeichnungen mit Nährwertbezug, sagte BLL-Präsident Stephan Nießner. Allein die Zahl zeige, dass kein Modell dabei sei, das flächendeckend akzeptiert werde. Eine Vergleichbarkeit für Kunden sei daher nicht gegeben. Das eigene Modell solle auf einen Blick Bedeutung und Beitrag des Produkts zur täglichen Ernährung darstellen, aber nicht bewerten, wie Ampelfarben es machen würden.

Konkret sieht das Modell fünf Kreise vor, in denen die Kalorienzahl sowie der Gehalt an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz pro 100 Gramm steht. Ähnlich wie etwa bei einer Tortengrafik zeigt eine hervorgehobene Fläche in jedem Kreis an, wie viel Prozent der täglichen Zufuhr der Verzehr von 100 Gramm bedeutet - je mehr, desto größer die Fläche. Basis ist eine EU-weit festgelegte Referenzmenge von insgesamt 2000 Kalorien pro Tag für einen durchschnittlichen Erwachsenen. Dabei soll diese farbliche Fläche im - etwas größeren - Kreis zur Kalorienzahl hellblau sein, in den anderen Kreisen lila.

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, kritisierte, der Vorschlag greife zu kurz und sei "nicht intuitiv und sofort verständlich". Da einzelne Anbieter schon andere Modelle nutzten, drohe ein Flickenteppich an Lösungen. Die Organisation Foodwatch nannte das Branchenmodell irreführend und deutlich weniger verständlich als eine Ampelfarben-Kennzeichnung. Es sei der dreiste Versuch, eine verbraucherfreundliche Kennzeichnung zu verhindern. Grünen-Expertin Renate Künast sagte: "Auch hier werden Verbraucher mit einem Zahlenwirrwarr konfrontiert und müssen erst mal rechnen."

Reserviert reagierten auch die Anbieter Danone, Iglo, Bofrost und Mestemacher, die auf das aus Frankreich kommende System Nutri-Score setzen und erste Produkte in Deutschland damit kennzeichnen. Das vom BLL vorgelegte Modell sei für Verbraucher zu kompliziert, die sich schnell orientieren möchten, hieß es vonseiten der Firmen. Es sei nicht in der Praxis erprobt und nicht wissenschaftlich unabhängig. Es solle im europäischen Markt zudem keinen deutschen Alleingang geben.

Das Nutri-Score-System bezieht neben dem Gehalt an Zucker, Fett und Salz auch empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe oder Proteine in eine Bewertung ein und gibt dann einen einzigen Wert an - auf einer fünfstufigen Skala von dunkelgrün bis rot. Auch die SPD wirbt dafür. Die Koalition will bis Sommer ein Modell erarbeiten, das den Nährwertgehalt "gegebenenfalls vereinfacht visualisiert".

Auch das Bundesernährungsministerium äußerte sich zurückhaltend zum neuen Branchen-Modell. Es sei "sehr deskriptiv" und wiederhole nur bestimmte Nährwertangaben auf der Schauseite. Die verpflichtende Nährwerttabelle ist meistens kleingedruckt auf der Produktrückseite.

Ressortchefin Klöckner betonte, sie wolle die gesunde Wahl zur einfachen Wahl machen. "Dabei kann eine optisch klare und einfache Kennzeichnung auf der Vorderseite helfen." Erste Ergebnisse einer Bewertung des bundeseigenen Max-Rubner-Instituts zeigten aber, dass es unter bestehenden Kennzeichnungen bisher "kein absolut optimales System" gebe. Laut Ministerium ergab eine Bewertung von Nutri-Score, dass ein Menü aus Pommes frites, Schnitzel und Cola Light mit hellgrün recht positiv gekennzeichnet würde - da die Berechnung unterstelle, dass Pommes und Schnitzel nicht frittiert oder gebraten, sondern im Backofen erhitzt würden. Dies sei aber nicht realitätsnah.

Klöckner stellte in Aussicht, dass auch Verbraucher einbezogen werden sollen, was im Alltag am meisten Orientierung geben könne. Vzbv-Chef Müller sagte, nötig sei ein wissenschaftlich basiertes Modell, das in Testmärkten geprüft werde. Nutri-Score könne ein Vorbild sein./sam/DP/fba

Weitere News aus dem Ressort Politik & Gesetze

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Fleisch aus dem Labor