Amt lenkt ein: Lemonaid darf zuckerarme Limonade weiter verkaufen

11.01.2019 - Deutschland

Der Limonadenhersteller Lemonaid darf sein Bio-Zitronen-Getränk weiterhin mit einem niedrigeren Zuckergehalt von sechs Prozent anbieten. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte werde das Produkt vorerst nicht beanstanden, obwohl die Lebensmittel-Leitsätze für Limonaden einen Zuckergehalt von mindestens sieben Prozent vorsehen, teilte die Hamburger Gesundheitsbehörde am Donnerstag mit.

Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) will sich nun auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Vorgaben überprüft werden:

"Lebensmittel mit wenig Zucker sollten nicht bestraft werden, sondern der Normalfall sein."

Lemonaid ist seit zehn Jahren auf dem Markt. Das Start-up aus dem Stadtteil St. Pauli will "trinkend die Welt verändern", mischt seine Limonaden aus biologisch angebauten Zutaten und hat mit mehr als drei Millionen Euro Entwicklungsprojekte in den Anbauländern gefördert.

Weil Lemonaid kein großer und professioneller Konzern ist, hat in der Startphase wohl auch niemand im Unternehmen die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches über Limonaden gelesen. Dort ist nämlich der Zucker-Mindestgehalt von sieben Prozent festgeschrieben. Das Lebensmittelbuch ist kein Gesetz, aber die Akteure im Markt halten sich in der Regel daran.

Zehn Jahre blieb der Regelverstoß von Lemonaid unbemerkt, und die Szene-Limonade wurde immer erfolgreicher. Dann trat das Fachamt Verbraucherschutz des Bezirksamtes Hamburg-Mitte auf den Plan.

Lemonaid dürfe nicht weiter Limonade heißen oder müsse den Zuckergehalt erhöhen, teilte das Amt dem Unternehmen mit. Das reagierte empört. Schließlich hatte Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) gerade erst verkündet, sie wolle auf weniger Zucker, Salz und Fett in Lebensmitteln hinarbeiten. Nachdem der Konflikt öffentlich wurde, ging in den sozialen Medien Hohn und Spott auf das Bezirksamt nieder, das mehr Zucker in der Limonade fordert.

Das ist nicht ganz fair, denn die diversen Mindest- und Höchstmengen im Deutschen Lebensmittelbuch sollen gerade die Verbraucher schützen und verhindern, dass Hersteller von Lebensmitteln unter falscher Flagge segeln. Für mehr als 2000 Lebensmittel ist die Zusammensetzung festgelegt, von Fruchtsäften über Gewürze und Teigwaren bis zu Obst- und Gemüseerzeugnissen. Damit sorgten die Leitsätze für "Klarheit und Wahrheit bei Lebensmitteln", heißt es auf der Internet-Seite der Kommission. Das funktioniert nur, wenn Verstöße auch Folgen haben.

Deshalb ärgern sich die etablierten Limonadenhersteller über den Coup des Branchenaußenseiters aus St. Pauli. "Die Rechtslage für die Zulässigkeit der Bezeichnung 'Limonade' gilt seit Jahrzehnten gleichermaßen für alle Unternehmen", sagte Detlef Groß, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke. "Im fairen Wettbewerb kann diese Frage nicht zur Disposition einzelner Unternehmen gestellt sein." Es gebe Konzepte wie eine "leichte Limonade", die schon heute weniger Zucker oder Kalorien möglich machten. Der Verband habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Fortschreibung der Leitsätze zeitgemäß und notwendig sei.

Der Ball liegt nun bei der Kommission, die das Deutsche Lebensmittelbuch schreibt. Darin sind Wirtschaft, Wissenschaft, Verbraucher und Lebensmittelüberwachung gleichberechtigt vertreten, und die Kommission ist unabhängig, nicht weisungsgebunden. Sie soll jedoch im Zuge der angestrebten Reduktion von Zucker, Salz und Fett in Lebensmitteln ohnehin ihre Leitsätze auf den Prüfstand stellen./egi/DP/mis (dpa)

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