Und Kakao macht doch nicht schlau

Tetra Pak muss Werbung für „Joe Clever“-Schulmilch stoppen

21.12.2018 - Deutschland

Nach einer Abmahnung durch die Verbraucherorganisation foodwatch musste der Verpackungskonzern Tetra Pak unerlaubte Werbeaussagen zu gesüßter Schulmilch zurückziehen. Das Unternehmen, das unter dem Namen „Joe Clever“ gemeinsam mit Molkereien eine eigene Schulmilch-Marke betreibt, hatte unter anderem behauptet, dass der Schulkakao die Intelligenz und das Selbstvertrauen von Schülerinnen und Schülern erhöhe und trotz der Zuckerzusätze sogar zur Übergewichtsprävention eingesetzt werden könne – ein klarer Verstoß gegen Verbraucherschutzvorgaben. Die Aussagen bis hin zu dem Versprechen einer „möglichen Verbesserung von durchschnittlich sieben IQ-Punkten bei Schülerinnen und Schülern“ bzw. „von rund 30 PISA-Werten“ gehen auf eine aus Sicht von foodwatch unseriöse Auftragsstudie für Tetra Pak zurück. In einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verpflichtete sich das Unternehmen, die unzulässigen Aussagen nicht weiter zu verbreiten.

Zuvor mussten bereits der Molkereikonzern Landliebe und die Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW gesundheitsbezogene Werbeaussagen im Kontext des Schulmilchprogramms zurückziehen. Auch das Deutsche Milchkontor (DMK) erklärte in dieser Woche formlos gegenüber foodwatch, die bis vor wenigen Tagen noch abrufbaren Aussagen der DMK-Tochter Milram über angeblich positive Effekte von Kakao auf die „Lernleistung“ beziehungsweise „mentale Leistungsfähigkeit“ nicht weiter zu verbreiten. Milram war bereits vor einigen Jahren aus dem Schulmilchgeschäft ausgestiegen, hatte zuvor jedoch wie andere Unternehmen versucht, gezuckerte Milchprodukte als gesund zu bewerben. 

„Landliebe, Tetra Pak, Milram, ein Lobbyverein – es grenzt schon fast an organisierte Kriminalität, wie Unternehmen und Verbände der Milchwirtschaft unisono gegen Verbraucherschutzvorgaben verstießen und mithilfe wiederkehrender Auftragsforscher und unzulässiger Behauptungen dem zuckrigen Kakao bei Eltern, Schülern und Lehrern ein gesundes Image verpassen wollten“, sagte foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. „Wo waren eigentlich die Lebensmittelkontrollbehörden? Statt einzuschreiten, wenn die Schulmilchprofiteure gegen Gesetze verstoßen, paktieren die Bundesländer lieber mit den Unternehmen und Verbänden bei der Förderung von gezuckerter Schulmilch und der Gestaltung von Ernährungsunterricht – zu Lasten der Kindergesundheit.“

foodwatch forderte Nordrhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg auf, ihre Schulmilchprogramme endlich zu reformieren: Die drei Bundesländer sind die einzigen, die noch an Steuer-Subventionen für Milchgetränke mit Zuckerzusätzen an Schulen festhalten. Alle anderen Bundesländer, die am Schulmilchprogramm teilnehmen, fördern nur noch ungesüßte Milch oder haben erklärt, vom nächsten Schuljahr an keine gezuckerte Milch mehr zu bezuschussen. Die Europäische Union, aus deren Haushalt die Fördermittel kommen, will mit Blick auf die hohe Zahl übergewichtiger Kinder nur ungezuckerte Milchprodukte fördern – NRW, Berlin und Brandenburg weichen von diesem Grundsatz mit Sonderregelungen ab.

Der Getränkekarton-Hersteller Tetra Pak hatte Schulmilchprodukte unter anderem damit beworben, dass „durch den Konsum von Joe Clever Schokolade eine Steigerung des Intelligenz Quotienten (IQ) um sieben IQ-Punkte gemessen werden“ könne und die Schokomilch „das Selbstvertrauen der Schülerinnen und Schüler in die eigene Leistungsfähigkeit“ verbessere. Das verstieß gegen die europäische Health-Claims-Verordnung, die Verbraucherinnen und Verbraucher vor irreführenden und falschen gesundheitsbezogenen Versprechen schützen soll. Zum vermeintlichen Beleg hatte Tetra Pak eine Studie mit winziger Probandenzahl und zweifelhaften Methoden in Auftrag gegeben. „Es besteht keine Absicht, die Studie in Zukunft noch einmal zu verwenden“, heißt es in der Unterlassungsverpflichtung des Unternehmens.  

Anfang Oktober hatte foodwatch den umfassenden Report „Im Kakaosumpf“ veröffentlicht. Darin entlarvt die Verbraucherorganisation die engen Verflechtungen zwischen Milchwirtschaft, umstrittenen Wissenschaftlern und Politik am Beispiel Nordrhein-Westfalens. Mit Tetra Pak, Landliebe, Milram und der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW haben nun bereits vier aktuelle oder ehemalige zentrale Akteure des Schulmilchgeschäfts unzulässige Gesundheits-Aussagen über gezuckerte Milchprodukte zurückgezogen. 

Übersicht – diese unzulässigen Werbeaussagen wurden gestoppt (Auszüge, nicht vollständig):

Tetra Pak:

  • „Verbesserung mentaler Leistung durch Schokomilch“

  • „… konnte durch den Konsum von Joe Clever Schokolade eine Steigerung des Intelligenz Quotienten (IQ) um sieben IQ-Punkte gemessen werden.“

  • „Der Konsum der Joe Clever Schokomilch verbessert jedoch nicht nur das Selbstvertrauen der Schülerinnen und Schüler in die eigene Leistungsfähigkeit, sie führt zudem zu einer signifikanten Verbesserung der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und zur Verbesserung der Arbeitsspeicherkapazität und somit des IQ gegenüber Personen, die als Testgetränk Wasser getrunken haben. Die mögliche Verbesserung von durchschnittlich sieben IQ-Punkten bei Schülerinnen und Schülern bedeutet auch einen direkte Verbesserung von rund 30 Pisa-Werten.“

  • „Sowohl der absolute Calciumgehalt als auch die hohe Nährstoffdichte an Calcium sowie der empfehlenswerte Glykämische Index der Schokomilch Joe Clever ermöglichen es zudem, das EU-Schulmilchprogramm im Setting Schule im Bereich Prävention von Fehlernährung und Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen einzusetzen.“

  • Landliebe: 

    • „Kakao steigert die Intelligenz und Konzentration“

  • „Kakao zum Frühstück verursacht weniger Karies als Wasser“

  • „Kakao schmeckt und macht geistig fit“

  • Der „Konsum von Schulkakao als Pausenmahlzeit in der Schule“ verbessere nachweislich „die Lernleistung“, die „Merkspanne“ und die „Selbstwirksamkeitserwartung (Selbstvertrauen)“.

  • „Durch Umsetzung des EU-Schulmilchprogramms könnten nachweislich Verbesserungen von bis zu 7 IQ- bzw. 46 PISA-Punkten erzielt werden.“

  • Landesvereinigung der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen:

    • „Schulmilch ist gesund“

  • „Mit Schulmilch kann man besser denken“

  • „[…] Daher kann davon ausgegangen werden, dass das Trinken von Kakao im Rahmen eines gesunden Schulfrühstücks nicht zur Erhöhung der Kariogenität führt.“

  • „[…] Aktuelle Untersuchungen ergaben nun für eine Schokomilch mit einem natürlichen Milchzuckergehalt von 4,8% und einem Zuckerzusatz von 4,4 % einen GI [Glykämischer Index; Anm. foodwatch] von 37. Das ist ein Wert, der den Blutzuckerspiegel ebenso optimal beeinflusst. […]“

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