Workshop macht Gründer in 54 Stunden fit fürs eigene Start-up

Venture Weekend Bioeconomy

24.11.2017 - Deutschland

Knapp 30 internationale Teilnehmer erarbeiten Bioökonomie-Start-ups: Projekt Universität Hohenheim fördert Transfer aus wissenschaftlichem Schwerpunkt Bioöonomie

Ob Schnecken-Snacks, schadstoffbindende Mooskunst oder eine Nachhaltigkeits-App: Beim Start-up-Wochenende vom 17. bis 19. November an der Universität Hohenheim in Stuttgart ist keine Idee zu ausgefallen. Einzige Bedingung: Produkt oder Dienstleistung müssen aus dem Bereich der Bioökonomie kommen, also mit nachwachsenden Rohstoffen zu tun haben. Am ersten Abend wählen die Teilnehmer aus allen Vorschlägen die fünf beliebtesten und arbeiten sie in Gruppen weiter aus. Bis Sonntagabend muss dann ein erstes Geschäftsmodell stehen. Erfolgreiche Start-up-Gründer stehen den Gruppen dabei als Coaches zur Seite. Am Ende überzeugt die Idee eines biologisch produzierten Kimchi, eine koreanische Spezialität aus fermentiertem Kohl, die Jury und bekommt dafür unter anderem eine Community-Mitgliedschaft im Stuttgarter Wizemann Space, das Arbeitsräume und kreativen Austausch für Start-ups bereitstellt.

Universität Hohenheim / Dorothee Barsch

Die Gewinnergruppe mit ihrem Produkt: Kimchi, eine koreanische Spezialität aus fermentiertem Kohl.

Kaffee, Cola, Club Mate: Die Getränke-Auswahl deutet schon an, dass die knapp 30 Teilnehmer des ersten Venture Weekend Bioeconomy viel vorhaben an diesem Wochenende. 54 Stunden werden sie im Lernzentrum auf dem Campus zusammen verbringen, um vom Frühstück bis in den späten Abend über ihren Ideen zu brüten. Dabei geht es nicht nur um kreative Ideen, sondern vor allem um die harten Fakten: Kundenzielgruppe, Vertriebswege, Marketing und Finanzierung gilt es zu bedenken.

Einige Teilnehmer bringen dabei schon konkrete Projekte mit, die sie vollenden wollen, andere sind aus purer Neugierde hier und arbeiten an fiktiven Produkten und Dienstleistungen. Für alle schlägt aber am Sonntagabend die Stunde der Wahrheit: Dann stellen sie ihre Projekte der Jury vor – genau wie jeder Gründer eben früher oder später seine Idee präsentieren und dabei gut verkaufen muss.

„Der Pitch, also das Präsentieren der Geschäftsidee, ist die Prüfung für jedes Start-up. Nur wer andere von seiner Idee überzeugen kann, kommt an Geldgeber und Kunden“, erklärt Prof. Dr. Andreas Kuckertz, Leiter des Fachgebiets für Unternehmensgründungen und Unternehmertum an der Universität Hohenheim und Initiator des Venture Weekend. „Es geht dabei aber nicht nur darum, die perfekte Show abzuliefern. Die Inhalte müssen überzeugen.“


Bioökonomie: Großes Spielfeld für kreative Gründer

Die thematische Eingrenzung auf die Bioökonomie ist eine Besonderheit am Wochenende, betont Prof. Dr. Kuckertz – und kein Zufall: „Viele Studierende, die sich für Bioökonomie interessieren, möchten damit zu mehr ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit beitragen. Mit Veranstaltungen wie dem Venture Weekend möchten wir ihnen dafür das nötige wirtschaftliche Know-how mitgeben.“

Juror Benedikt Bösel, Vorsitzender der Fachgruppe AgTech im Bundesverband Deutscher Startups und Experte für Gründungen im Agrarbereich, betont die Chancen, die sich für Start-ups im Bereich der Bioökonomie bieten. „Endliche Ressourcen, Lebensmittelverschwendung oder auch die Abhängigkeit vom Öl: Wir stehen aktuell vor großen Herausforderungen. Gerade Start-ups können hier einen Beitrag leisten, weil sie auch Nischen besetzen, die die etablierten Unternehmen nicht besetzen können oder wollen – und dann in diesen Nischen wachsen.“ Zudem hätten Start-ups den Vorteil, dass sie flexibler auf stetig veränderte Kundenanforderungen reagieren könnten.

Damit sich weitere zukünftige Gründer diesem Ziel widmen, plant das Fachgebiet Unternehmensgründungen und Unternehmertum bereits weitere Gründer-Events zum Thema Bioökonomie. Anfang 2018 stellen sich unter dem Motto „Meet the Biopreneur“ Unternehmen aus dem Bioökonomiebereich an einem „Biopreneurship“-Tag an der Universität Hohenheim vor. Beide Veranstaltungen sind Teil des fakultätsübergreifenden Projektes „HOMA! – Hohenheim macht“.


Nach dem Pitch ist vor dem Pitch: Geschäftsmodelle unter der Lupe

Bevor am Sonntagabend die aufwendig gestalteten Präsentationen auf dem Programm stehen, hat jede Gründergruppe ihre Idee schon ein halbes Dutzend Mal vorgestellt: Am Freitagabend gilt es die Teilnehmer zu überzeugen und Gruppenmitglieder zu gewinnen, am Samstag und Sonntag kommen die Coaches in die einzelnen Gruppen – und die erfahrenen Gründer halten mit kritischen Fragen nicht hinter dem Berg.

Diesen Fragen hat sich auch Teilnehmerin Susanne Wangert gestellt. Sie ist eine der wenigen, die bereits mit einer ausgereiften Idee in das Wochenende gegangen sind. Der Prototyp ihres Indoor-Komposters aus Terracotta ist angefertigt, erste Gespräche mit Vertriebspartnern laufen, auch mit Kostenfragen hat sie sich schon beschäftigt. Im Laufe des Samstags durchleuchten die Coaches ihr Konzept immer wieder neu von unterschiedlichen Seiten.

„Für mich war das ein Reality Check: Das unterschiedliche Feedback zeigt mir, wo ich meine Idee so weiterentwickeln kann wie ich mir das vorstelle und ob ich noch blinde Flecken habe, die es zu beseitigen gilt.“ Genau diese Rückmeldung hat sich die Studentin im Hohenheimer Masterstudiengang „Environmental Science“ von der Veranstaltung erhofft. Jetzt geht sie gestärkt aus dem Wochenende. Außerdem hat sie nun Ideen, wie sie die Attraktivität ihres Produktes testen kann. „Das ist ein konstanter Lernprozess.“


Wochenende soll Gründergeist fördern

Nicht alle der knapp 30 internationalen Teilnehmer haben so konkrete Erwartungen an das Wochenende. Thuan Sarzynski ist eher zufällig auf das Thema aufmerksam geworden. Er studiert im Master Landscape Ecology an der Universität Hohenheim und ist von der kreativen Herangehensweise an das Thema inspiriert. Er kann sich nun eher vorstellen, vielleicht einmal selbst ein Unternehmen zu gründen. „Bislang habe ich mich mit wirtschaftlichen Fragen nicht ausführlich beschäftigt. Mir gefällt aber die Idee, selbst aktiv den globalen Markt, aber auch die Denkweise der Menschen zu verändern.“

Genau darauf kommt es den Machern des Workshops an, erklärt Organisatorin Anja Gaudig vom Fachgebiet für Unternehmensgründungen und Unternehmertum. „Das ist hier kein Uniseminar, für das es am Ende eine Note gibt. Wir wollen den Enthusiasmus fürs Gründen wecken.“

Die Teilnehmer könnten dabei neben den praktischen Tipps der Coaches noch viele andere wichtige Lektionen mitnehmen: Die Zusammenarbeit im Team zum Beispiel, aber auch eine gewisse Offenheit für Veränderungen. „Die wenigsten stehen am Sonntagabend mit der genau gleichen Geschäftsidee da, mit der sie am Freitag ins Wochenende gestartet sind“, so Gaudig.


Hintergrund: Bioökonomie – Leitthema der Universität Hohenheim

Ziel der Bioökonomie ist die weltweite Ernährung zu sichern, die Agrarproduktion nachhaltig zu gestalten, gesunde und sichere Lebensmittel zu produzieren, nachhaltige Rohstoffe industriell zu nutzen sowie Energieträger auf der Basis von Biomasse auszubauen. Dabei genießt die Ernährungssicherung stets Vorrang vor anderen Nutzungen von Biomasse (Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030, BMBF). Die Bioökonomie greift ein zentrales Anliegen von Politik und Gesellschaft auf und berücksichtigt gleichermaßen ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Belange.

Die Bioökonomie ist das Leitthema der Universität Hohenheim und einer ihrer drei Forschungsschwerpunkte. Sie verbindet die agrarwissenschaftliche, die naturwissenschaftliche sowie die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fakultäten in Forschung und Lehre. So ist die Universität Hohenheim die erste Universität in Deutschland, die einen Master-Studiengang für Bioökonomie ausrichtet.

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