Es geht um mehr als gute Wurst

Existenzsicherung bedeutet, durch kluges Handeln Verkauf und Kundenbindung zu fördern. Die SÜFFA 2014 bahnt Metzgern den Weg zum passenden Marketingkonzept.

03.06.2014 - Deutschland

Die Metzgerei Blum in Calw hat sich für ihr 60-Jahr-Jubiläum nicht lumpen lassen: Eine Weißwurst-Hocketse samt Kochbuch-Premiere mit 120 Kunden-Rezepten, Verleihung des Blum-Koch-Oskars für das beste Rezept, Wurstproduktion wie vor 60 Jahren, Infostände der bäuerlichen Lieferanten, ein Kinderparadies zum Spielen, Maultaschenwursteln für die Kleinen, Live-Musik, Tombola, Sonderangebote und, und, und. Für Rezepte-Juror Kurt Matthes war dieser Tag ein Musterbeispiel für gelungene Kundenbindung: „Besser geht‘s nicht, will man die junge Generation in den Laden bekommen“, sagt der Obermeister der Innung Stuttgart-Neckar-Fils. Die SÜFFA zeigt vom 28. bis 30. September 2014 in Stuttgart alles was dazu gehört, um erfolgreiches Marketing zu betreiben.  

Mit Kompetenz überzeugen
Das fängt mit einer ausgeklügelten Kundendatenbank an, reicht über ein ausgefeiltes Werbekonzept bis hin zu Produktinnovationen und fachkundigem Verkaufspersonal. Erfolg setzt sich aus vielen Puzzleteilen zusammen, die langfristig perfekt ineinander greifen. „Das persönliche Gespräch an der Theke und erstklassige handwerkliche Produkte sind nach wie vor unersetzlich. Aber der Kunde fordert heute mehr als eine gute Wurst“, sagt Kurt Matthes, Obermeister der Innung Stuttgart-Neckar-Fils.  

Pluspunkt regionale Herkunft
Die junge Generation sei nicht bereit, Fleisch als wichtigen Bestandteil der Ernährung anzusehen. Umso wichtiger werde es, als Betrieb mit der eigenen Philosophie von handwerklicher Arbeit und dem Wohle gegenüber Tierschutz und Umwelt mit einem gesunden Produkt zu überzeugen, so der Stuttgarter Metzgermeister. Er macht den Kunden klar, woher aus der Region sein Fleisch kommt. Sie können auch die Höfe besuchen. Transparenz und kurze Wege seien schließlich Pluspunkte.

Wer bin ich, wo will ich hin?
Wer sich wirksam nach außen darstellen möchte, sollte zunächst den Blick in den Betrieb richten, empfiehlt Gabriele Bechtel, die als Marketing-Coach Metzgereien in Seminaren und Einzeltrainings berät. Betriebe, die sich neu erfinden wollen, begleitet sie bei diesem Prozess zwischen ein und zwei Jahre. Am Anfang müssten Antworten auf ganz grundsätzliche Fragen gefunden werden: Was kann ich, wer bin ich und wo will ich hin? „Was ist an dem eigenen Geschäft das Besondere? Das gilt es herauszuarbeiten“, so Bechtel. Wer ein einzigartiges Profil entwickle, der habe die besten Chancen.  

Mitarbeiter für Neues begeistern
„Es gibt aber kein Muster, das über alles passt. Das hängt vom Standort, von den Kunden von der Kaufkraft ab“, sagt die Beraterin. Es brauche Zeit, seine Richtung zu finden bis sich das Neue beim Kunden etabliere. „Und es gehört auch etwas Mut dazu“, sagt die Unternehmensberaterin, die in ihren Seminaren beim neuen Tag der Metzgerfrauen am Messemontag der SÜFFA, Lust auf Veränderung machen möchte. Ein wichtiger Punkt sei die Organisationsstruktur im Betrieb: „Oft macht jeder ein bisschen von allem. Dabei wäre es besser, Themen und Verantwortlichkeiten zuzuteilen und die Mitarbeiter durch Motivation für Neues zu begeistern“, sagt Bechtel. Selbst die schönste Werbung laufe mit der Zeit ins Leere, wenn der Funke beim Personal nicht überspringe oder es durch fehlende Aufgabenorganisation überfordert werde.  

Vertrauen gewinnen
Es sei wichtig wieder einen Blick dafür zu entwickeln, wie der eigene Laden aus der Sicht des Kunden wirke, sagt die Coaching-Expertin, die beim Einkaufen gerne Metzgereien testet. Als Allergikerin erkundige sie sich immer, ob das von ihr gewählte Produkt Laktose enthält: „Manche wühlen sich dann durch Zettelwirtschaften, andere können gezielt in einem Ordner nachschauen“. Der Kunde sucht sich den Metzger aus, dem er als kompetenten Berater vertrauen kann und der ihm das Gefühl gibt, in seinem Fachgeschäft gut aufgehoben zu sein. Auch die positive Wirkung eines sauberen Ladens, solider Verpackungen, fachkundigen Personals in einheitlicher Kleidung, lesbarer Etiketten und Aufsteller könne nicht hoch genug geschätzt werden. Auf der SÜFFA findet die Metzgerbranche dazu alle Facetten der Verkaufsförderung und die neuesten Trends in diesem Bereich.  

Konstruktive Gespräche
Innehalten, um darüber nachzudenken, wie es in Zukunft weitergeht, birgt Chancen. Doch gänzlicher Stillstand ist der Anfang vom Ende. Kurt Matthes hält es für ein Warnsignal, wenn die Kundschaft mit einem altert und die jüngere Generation nicht den Weg in den Laden findet. „Der Markt ist gespalten. Einige haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Sie wissen ihren Standort nicht einzuschätzen, noch die Kaufkraft ihrer Kunden“, sagt er. Der Innungsobermeister schätzt regelmäßige Treffen im Kreise der Kollegen als Ansporn und Korrektiv, um sich Anregungen zu holen und auf dem Laufenden zu bleiben: „In diesen Runden wird sehr offen und ehrlich gesprochen. Ich lerne jedes Mal dazu“.  

Ehrliches Duftmarketing
Regionalvermarktung und Produktinnovationen sind dabei immer wieder Thema. „Die Kundschaft und ihre Wünsche ändern sich ständig. Sie haben andere Arbeitszeiten und Verzehrgewohnheiten als früher, also muss ich mich mit meinem Sortiment darauf einstellen und passende Produkte entwickeln“, sagt Metzger Matthes. Zum Beispiel bietet er in der Saison Spargelsalat und Kräuterflädle aus der eigenen Küche an. 50 bis 70 der frischen und küchenfertigen Flädle-Packungen gehen täglich über den Ladentisch. Der Duft frischer Kräuter in der Küche ziehe bis in den Laden. Auch das ist Marketing. „Vielleicht nehmen die jungen Kunden dann auch noch Schinken mit oder kommen wieder, weil sie nach anderen Spezialitäten Ausschau halten“, sagt der Fleischexperte.  

Kraft für Neues schöpfen
Die SÜFFA ist die ideale Plattform, um im Betrieb Neues zu wagen. Der dreitägige Branchentreff bietet Gelegenheit, sich mit vielen klugen Köpfen auszutauschen: von Fachberatern der Verbände über Praxisseminare bis hin zum Kollegengespräch. Auch Metzger Gerhard Blum ist vom 28. bis 30. September 2014 auf der Stuttgarter SÜFFA. Wer ihn wegen seiner Weißwurst-Hocketse um Rat fragen will, findet ihn meist im SÜFFAdorf: beim Branchentreff im Stammtisch oder an seinem Stand auf dem Marktplatz der Ideen. Nur Mut.

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