Fleischfreie Wurst aus Pilzproteinen

Van Hees und die Universität Gießen entwickeln alternative Proteinquelle

16.03.2018 - Deutschland

Pilzproteine sind die Grundlage für einen veganen Brotbelag, den die VAN HEES GmbH gemeinsam mit der Universität Gießen entwickelt hat und der in spätestens zwei Jahren marktreif sein soll.

van hees

„Produktentwicklung von fleischähnlichen Produkten aus kokultivierten Pilzproteinen“ war das Projekt überschrieben, das in der Tagespresse mit Sätzen wie „Diese Wurst ist ein Pilz“ betitelt wurde. Drei Jahre dauerte die Entwicklung eines neuen Rohstoffs als Grundstoff für die humane Ernährung ohne Fleisch. Der Diplom-Lebensmittelchemiker und Fleischermeister Alexander Stephan aus dem Wallufer Unternehmen suchte den eiweißreichen Fleischersatz nicht – wie oft in Asien üblich – bei Insekten, sondern bei Pilzen: Er fand heraus, dass nicht der Fruchtkörper, sondern ihr so genanntes Myzel, das üblicherweise unterirdisch wachsende Geflecht, den gleichen Eiweißanteil wie Fleisch liefert. Dieses Geflecht im Boden, das den Pilz herausbildet, lässt sich im Biofermenter züchten, zum Beispiel auf Melasse-, Karotten-, Zwiebel- oder Apfeltrester. Das so gewonnene Myzel wird gereinigt, gefriergetrocknet und zu einem Pulver gemahlen. Nach Zusatz von natürlichen Verdickungsmitteln, Gewürzen, Wasser und Öl lässt es sich die hergestellte Masse in Hüllen füllen und zu einem fleischfreien Brotbelag verarbeiten.

Stephan wurde bei seiner Forschung vom Institut für Lebensmittelchemie und Lebensmittel- biotechnologie der Justus-Liebig-Universität Gießen mit Prof. Dr. Holger Zorn begleitet. Gemeinsam wählten sie aus der Familie der Ständerpilze den Seitling Pleurotus sapidus und den Shiitake-Pilz Lentinula edodes als Lieferanten des Rohstoffs Pilzbiomasse.

Die Forschungsarbeiten begannen vor drei Jahren. Sie wurden vom Land Hessen mit 147.000 Euro aus dem Forschungsförderprogramm LOEWE III unterstützt. Als sich Wissenschaftsminister Boris Rhein jetzt persönlich bei VAN HEES über das Projekt informierte und die Lyoner aus Pilzen kaum von Lyonern aus Fleisch unterscheiden konnte, würdigte er die Tatsache, dass das Familienunternehmen auf eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft innovativ reagiere. Immer mehr Menschen wollten weniger oder gar kein Fleisch mehr essen. Zudem verbrauche die Fleischproduktion viel Fläche und Wasser und verursache den Ausstoß großer Mengen an Treibhausgasen. Pflanzliche Alternativen seien daher gefragt.

Das Unternehmen, das ausschließlich Produkte für die Fleischwirtschaft – Gütezusätze, Gewürze, Kräuter, Marinaden, Emulsionen und Aromen – herstellt, beschäftigt sich schon seit langem erfolgreich mit vegetarischen Alternativen zu Fleisch in Wurstprodukten. Dieser Bereich wird noch stark an Bedeutung gewinnen. Deshalb baut Alexander Stephan im Anschluss an die LOEWE III - Förderung jetzt eine Abteilung für wissenschaftliche Forschung auf, die sich unter anderem mit Speisepilzen und anderen Proteinquellen als Fleischalternative beschäftigen wird. Stephan: „Wir wollen VAN HEES fit machen für die Zukunft.“ Innovation, Forschung und technisches Know-how sind die Grundlage dafür.

Proteine würden in der Zukunft immer wichtiger, um die rasant wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Man brauche Alternativen zu den traditionellen Proteinquellen wie Fleisch, Fisch, Milchprodukten, Soja, Eiern oder Nüssen: Die Überfischung der Meere und weniger Land zur landwirtschaftlichen Nutzung setzten der Lebensmittelproduktion Grenzen. Zudem habe sich die flexitarische Ernährung der „Teilzeitvegetarier“ als feststehendes Marktsegment etabliert. VAN HEES sieht in der Proteinquelle des Myzels der Ständerpilze deutliche Vorteile gegenüber tierischen Proteinquellen: Sie enthält weniger Fett, kein Cholesterol, ist einfach zu kultivieren und hat ethische Vorteile.

Die LOEWE III -Förderung des Landes Hessen erleichterte es dem Team um Alexander Stephan und Prof. Dr. Holger Zorn, sich intensiv mit alternativen Innovationen zu beschäftigen. So entwickelten sie unter anderem eine vegane „Bratwurst“, vegane „Wiener“, veganen „Aufschnitt“, den Ersatz von Soja im Döner und sogar den Ersatz von Gluten im Brot. Für eine vegetarische „Salami“ simulierten sie das Fett mit Hühnerei-Eiweiß, und für die Reifung setzten sie Lactobacillus reuteri ein, ein Vitamin B12 produzierendes Bakterium. Die Haltbarkeit dieser Produkte erwies sich als besonders hoch, und gesundheitsschädliche Substanzen waren nicht zu finden.

Ihre erste Bewährungsprobe haben Prototypen des veganen Brotbelags schon 2016 während der IFFA bestanden, als 330 kritische Probanden den neuartigen veganen „Aufschnitt“ verkosten durften: 54 Prozent fanden seinen Geschmack akzeptabel, 14 Prozent hielten ihn gar für eine herkömmliche Wurst. Die Frage „Können wir Pilze als Leberkäse wachsen lassen?“ haben nicht nur die Teams von VAN HEES und der Universität Gießen mit einem klaren Ja beantwortet.

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